„Und auf einmal hat der Hund grundlos zugebissen.“ So eine Meldung hast du bestimmt auch schon mal in den Medien gelesen. Oft werden diese Hunde als unauffällig beschrieben. Es gab bis zu diesem Vorfall kein Anzeichen dafür, dass sie zubeißen könnten, aber stimmt das wirklich? Oder gab es doch Signale und diese wurden nur nicht erkannt?
Hunde beißen nicht einfach grundlos zu. Sie zeigen durchaus, wenn ihnen etwas unangenehm ist, sie sich bedroht fühlen oder sie Angst haben. In diesem Beitrag erfährst du, wie sich dein Hund ausdrückt, woran du erkennst, dass sich sein Stresslevel erhöht und ob er kurz davor ist, zu eskalieren.
So drückt sich dein Hund aus
„Nimm deine Finger von mir weg, ich mag das nicht.“ Diesen Satz wirst du nie von deinem Hund hören. Dabei wäre es so einfach, wenn er dir sagen könnte, was er nicht mag. Im Grunde macht dein Hund aber genau das und zwar über seine Körper- und Lautsprache.
Solange er fröhlich und gut drauf ist, ist alles in Ordnung. Wie sieht es aber aus, wenn ihm etwas Angst macht, er Schmerzen hat oder er auf etwas aggressiv reagiert? Woran erkennst du, dass sein Verhalten gleich kippt bzw. es sich hochschaukelt?

Um dir das zu verdeutlichen, greife ich auf ein Beispiel aus der Menschenwelt zurück. Stell dir vor, du hast Rückenschmerzen. Jetzt kommt jemand und will dich genau da anfassen, wo es schmerzt, aber du möchtest das nicht.
Wie reagierst du?
- Du weichst zurück und sagst, dass du das nicht willst. Entweder lässt es die Person daraufhin sein oder sie macht weiter.
- In diesem Fall wirst du deutlicher werden. Vielleicht stößt du die Hand der Person weg und/oder wirst lauter.
- Wenn auch das keinen Erfolg hast, wirst du wahrscheinlich noch energischer werden.
In allen Fällen sendest du darüber hinaus auch Signale mit deinem Körper aus. Es kann zum Beispiel sein, dass du dich wegdrehst oder du deinen Gegenüber böse anstarrst.

Und nun stell dir eine ähnliche Situation aus Sicht deines Hundes vor. Dabei ist es im Grunde egal, ob er Schmerzen oder Angst hat oder ob er sich bedroht fühlt. Auch er sendet verschiedene Signale aus, um sich mitzuteilen und wird in seinem Verhalten immer heftiger, je mehr er sich in die Ecke gedrängt fühlt. Wenn du seine Signale nicht erkennst oder sie ignorierst, kann dies im schlimmsten Fall dazu führen, dass dein Hund beißt.
Die Eskalationsleiter
Auf der folgenden Abbildung kannst du sehr gut nachvollziehen, wie sich sein Verhalten und die damit verbundenen Signale entwickeln von „ich bin entspannt“ bis hin zu „jetzt greife ich an“
Nun ist dein Hund genauso wenig eine Maschine wie du oder ich. Jeder Vierbeiner hat seine eigene Persönlichkeit und bringt individuelle Erfahrungen mit. All das beeinflusst sein Verhalten und kann dazu führen, dass manche dieser Stufen nur kurz oder auch gar nicht bei ihm vorkommen.
Ein Beispiel:
Wenn ein Hund knurrt, möchte er damit sagen „Stopp, bis hier und nicht weiter.“ Wird er dafür von seinem Menschen bestraft, dann kann es passieren, dass er zukünftig nicht mehr knurrt, sondern direkt schnappt. Er hat gelernt, dass er mit seiner Warnung keinen Erfolg hat und greift daher direkt auf eine deutlichere Ausdrucksform zurück.
Die Signale des Hundes richtig verstehen
Wenn sich dein Vierbeiner durch irgendetwas bedroht fühlt, wird er versuchen, dieser Situation zu entkommen. Dabei spielt es keine Rolle, ob du diesen Auslöser ebenfalls als bedrohlich empfindest. Es kommt rein auf das Empfinden deines Vierbeiners an. Es kann zum Beispiel sein, dass für ihn die Berührung eines fremden Menschen schrecklich ist und er darauf mit Meideverhalten reagiert, indem er ausweicht oder sich abwendet.

Wenn er damit keinen Erfolg hat, geht es mit auf der Eskalationsleiter weiter nach oben.
Wichtig zu wissen:
Um die Stufen bzw. die Signale deines Hundes richtig zu verstehen, musst du diese im Zusammenhang mit dem jeweiligen Situation betrachten. So kann beispielsweise ein Gähnen bedeuten, dass dein Hund müde ist, aber auch, dass er seinen Gegenüber beschwichtigen möchte.
Leichte Konfliktzeichen
Nicht jedes Züngeln oder Zwinkern ist ein Zeichen dafür, dass dein Hund im Konflikt ist. Wenn ihm die Sonne in die Augen scheint, ist es normal, dass er blinzelt. Anders sieht es in diesem Beispiel aus. Du befiehlst deinem Hund, dass er sitzenbleiben soll. Er möchte jedoch aufstehen, weil er sich unwohl fühlt. Du gehst drohend auf ihn zu und er beginnt zu zwinkern. Das wäre ein Zeichen für einen Konflikt.
Beschwichtigungssignale
Dabei handelt es sich um Signale, mit denen ein Hund versucht, sein Gegenüber zu besänftigen und eine Situation zu entschärfen. Es kann sein, dass er sich durch einen Artgenossen bedroht fühlt oder durch etwas, was du tust.

Ein Beispiel: Du bist wütend, weil dein Hund nicht zurückkommt und beugst dich beim Rufen in seine Richtung. Aus Sicht deines Vierbeines ist dies bedrohlich. Er würde zwar gerne zurückkommen, aber du bremst ihn mit deiner Körpersprache aus. Anstatt schnell zu dir zu laufen, wird er langsamer und läuft einen Bogen. Durch dieses Verhalten versucht er, dich zu beschwichtigen.
Weitere Beschwichtigungssignale können unter anderem gähnen, über die Nase lecken, schnüffeln oder pinkeln sein.
Flucht in Ersatzhandlungen
Ersatz- oder auch Übersprungshandlungen sind Verhaltensweisen, die im jeweiligen Kontext keinen direkten Sinn ergeben und durch einen Konflikt ausgelöst werden. Dieser ist, dass dein Hund zwischen zwei Instinkten hin- und hergerissen ist, die er beide nicht ausleben kann. Das führt dazu, dass er ein völlig anderes Verhalten zeigt. Wie bei den vorherigen Zeichen gilt auch hier, dass du dieses im Bezug zur Situation betrachten musst, um es richtig einzuordnen.
Ein Beispiel:
Ein fremder Hund nähert sich bedrohlich deinem Vierbeiner. Deiner nimmt nun eine Spielhaltung ein. Dies macht er nicht, weil er tatsächlich spielen will, sondern weil er sich in einem Konflikt befindet. Seine Handlung ergibt in diesem Zusammenhang also keinen Sinn. Andere Übersprungshandlungen können unter anderem sein, den eigenen Schwanz zu jagen, zu buddeln, sich zu schütteln oder zu kratzen.

Wichtig zu wissen ist es, dass es manche Übersprungshandlungen auch Beschwichtigungssignale sein können. Hier ist also deine genaue Betrachtung der Situation gefragt.
Starke Konfliktsignale
Hat dein Hund mit den bisherigen Signalen keinen Erfolg erzielt, geht es auf der Leiter weiter nach oben und er wird deutlicher. Es kann sein, dass er starr wird, sich duckt oder bellt. Natürlich ist hier kein freudiges Bellen zu erwarten, sondern eines, das ängstlich oder aggressiv klingt.
Distanzsignale
Bevor es zum Beißen kommt, fixiert, knurrt und/oder fletscht ein Hund die Zähne, um die von ihm empfundene Bedrohung von sich fernzuhalten.
Drohsignale
Hier sind wir eindeutig im roten Bereich und fast am Ende der Eskalationsleiter angekommen. Auf dieser Stufe versucht ein Hund, durch in die Luft schnappen oder Anrempeln Distanz zur vermeintlichen Bedrohung herzustellen. Funktioniert das nicht, dann kommt es zum letzten Schritt.
Fight – Angriff
Schnappen, packen und beißen stehen am Ende der vielen Stufen. Hat ein Hund jedoch gelernt, dass er nur mit diesem Verhalten Erfolg hat, kann es sein, dass er andere Stufen überspringt und direkt damit reagiert.

Wie du deinen Hund unterstützen kannst
Wie jedes andere Lebewesen auch ist ein Hund darauf bedacht, sich vor Gefahren und Verletzungen zu schützen. Indem du deinen Hund zwingst etwas zu tun oder auszuhalten, das ihm Angst macht, Schmerzen verursacht oder ihn bedroht, bringst du ihn in einen Konflikt. Es gibt aber noch unzählige Dinge mehr, durch die dein Hund unter Stress geraten kann, zum Beispiel andere Vierbeiner, die Annäherung von fremden Menschen, beim Tierarzt oder durch Kinder.
Deinen Hund zu bestrafen, führt dazu, dass sich sein Stresslevel erhöht und somit auch der Konflikt für ihn größer wird. Umso wichtiger ist es, über positives Training zu arbeiten und dich in der Wahrnehmung deines Vierbeiners zu schulen.
Fazit – Hunde wollen keinen Stress
Bevor sich ein Hund zum Beißen entscheidet, versucht er auf anderen Wegen, die Situation zu entschärfen. Indem du diese Signale erkennst und richtig deutest, kannst du ihm helfen, eine Lösung zu finden und somit eine Eskalation zu vermeiden. Dein Hund wird es dir danken.